Das Passeiertal ist für den Anbau von Bio-Kräutern perfekt geeignet. Hier gibt es weder intensiven Obst- noch Weinanbau, der Boden ist unbelastet, die Luft rein. Rosi Walder ist mit dem Kräuterwissen aufgewachsen, das in ihrer Familie nachweislich seit mindestens sechs Generationen weitergegeben wird. Den Anstoß, ihre Liebe zu den Kräutern zum Beruf zu machen, gab Jägerhof-Hotelier Siegis Augscheller.
Servus Rosi, wie bist du zu deinem Kräuterwissen gekommen?
Im Passeiertal und insbesondere in meiner Familie war das Wissen um die Heilkraft und Wirkung der heimischen Kräuter zunächst einmal nichts Besonderes. Hier in den Bergen mussten wir uns selbst helfen, bis in die 1970-er Jahre hinein war die Verwendung von Kräutern ganz normal, nicht nur für die Heilung von Beschwerden, sondern auch für den täglichen Speiseplan.
Meine Großmutter und Mutter schickten mich zum Löwenzahnstechen, im Winter sammelten wir Brunnenkresse und Vogelmiere, damit immer etwas Frisches in der Küche war. Diese Tradition führe ich nun fort und meine Kinder sagen: „Mama geht im Wald und auf der Wiese einkaufen.“ Dabei darf man es aber auch nicht übertreiben, eine Handvoll Wildkräuter pro Tag sind für eine Person ausreichend, um den Körper zu unterstützen. Man kann sagen, wir haben immer ganz im Sinne von Hippokrates gehandelt, der lehrte, dass unsere Nahrung unsere Heilmittel sein sollen.
Was hat Siegi Augscheller mit deinem Beruf als Kräuterexpertin zu tun?
Früher arbeitete ich in Vollzeit in einer Gärtnerei, Siegi kannte ich aus dem Blumenladen. Damals habe ich Kräuter als Hobby zu Hause angebaut.
Siegi kam auf die Idee, dass ich mit seinen Gästen Kräuterwanderungen unternehmen könnte und er begann, von mir hergestellte Produkte in seinem Hotel zu verwenden. Heute ist es so, dass viele Stammgäste schon auf die wöchentliche Kräuterwanderung warten! Für den Jägerhof habe ich eine spezielle Kräuterteemischung entwickelt, die Gäste bekommen den Tee mit auf ihre Wanderungen.
Welche Kräuter empfiehlst du im Frühjahr und warum?
Im Frühling wachsen die Kräuter, die die Entgiftung des Körpers anregen und fördern. Die Leber fängt im Frühjahr an, verstärkt zu arbeiten, den wintermüden Körper zu entgiften. Wild vorkommende Kräuter sind also das Natürlichste, um diesen Prozess zu unterstützen. Tut man das nicht, entsteht die sogenannte Frühjahrsmüdigkeit, die nichts anderes ist als ein Überlastungssymptom der Leber. So sorgt die Natur für uns Menschen!
Folgende Kräuter kurbeln das Immunsystem an, unterstützen Verdauung, Lunge und Leber; Bauch und Atemwege sind das Thema im Frühling: Löwenzahn, Bärlauch, Brennnessel, Birkenblätter, Gundermann, Giersch, Veilchen (Duftveilchen sind wirksamer als Hundsveilchen). Die Kräuter kann man frisch vom Feld holen und für
Salate, Smoothies, Pestos und Kräuterquark verwenden, am besten möglichst ungekocht.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Frühlingskräuter?
Die Brennnessel ist ohne Zweifel eine der ältesten und wichtigsten Heilpflanzen in den Alpen und darüber hinaus. Sie enthält Vitamine, Mineralstoffe, unglaublich viel Eisen, Spurenelemente und viele weitere sekundäre Inhaltsstoffe, der Nesselstoff wirkt gegen Rheuma und Gicht. Dieses Superfood wächst bei uns direkt vor der Haustüre, deshalb zeige ich Gästen sehr gerne, wie man diese wertvolle Pflanze in der Küche verwenden kann.
Nummer zwei auf meiner Frühlingshitliste ist der
Löwenzahn, eines der frühesten Frühlings-Kräuter überhaupt. Seine Bitterstoffe sind heilsam für Magen und Leber, entgiften Blase und Niere und wirken so gegen die Frühjahrsmüdigkeit. Löwenzahnblüten verwende ich gegen Husten, Heiserkeit und Halsschmerzen. Das Kräutersammeln an sich ist ja schon sehr gesund, man bewegt sich draußen an der frischen Luft und tankt gleichzeitig Sonne. Wusstest du, dass
fünf Minuten Bewegung an der frischen Luft eine ganze Stunde Immunsystemaufbau bewirken?
Liebe Rosi, wie viele Kräuter hast du denn in deinem Repertoire?
In Europa gibt es tatsächlich rund 1.500 essbare, schmackhafte Kräuter. Meine Familie hat an die 400 verschiedene Kräuter verwendet. Meine Großmutter Agnes war eine Art „Bauerndoktorin“, sie hat täglich mit uns gesammelt. Heute stehen viele Pflanzen in ihrer Wildform unter Naturschutz, ich habe Alternativen gesucht und gefunden, die man auch im Garten anbauen kann. In meinem Buch „Das Kräuterwissen meiner Großmutter“, welches im Raetia-Verlag erscheinen wird, empfehle ich um die
60 verschiedene Pflanzen, die im Alltag zur Anwendung kommen können.
Liebe Rosi, danke für das interessante Gespräch und viel Freude weiterhin mit den tollen Kräutern im Südtiroler Passeiertal!
Rosi Walder, Das Kräuterwissen meiner Großmutter,
Raetia-Verlag, ISBN 978-88-7283-727-6
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